Keine Chance der Krise

Nachdem EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier Ende 2011 ein EU-Grünbuch zur Regulierung der Wirtschaftsprüfung vorlegte, schlugen die Wogen hoch: Politiker, Wissenschaftler, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuer- und Managementberater diskutierten darüber, ob die Maßnahmen eine bessere Qualität in der Abschlussprüfung gewährleisten.
E-3 Magazin
4. September 2014
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Lüenendonk
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Von der möglichen Regulierung der Wirtschaftsprüfung durch das EU-Grünbuch sind auch die Mandanten der Wirtschaftsprüfer betroffen.

Weil bis dato in Deutschland die Auftraggeber der Abschlussprüfung noch nicht systematisch zum EU-Grünbuch befragt wurden, hat das Marktforschungsunternehmen Lünendonk Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichts- und Beiräte sowie die Leiter der Finanz- und Controllingabteilungen interviewt.

Die Studie, die auf persönlichen Gesprächen basiert, liegt seit 20. Juni 2013 vor. Ein Ergebnis: Die Mandanten sehen die meisten EU-Grünbuch-Vorschläge kritisch.

7 Regulierungsmaßnahmen

Ursprünglich sollten sieben Regulierungsmaßnahmen sicherstellen, dass die Qualität von Abschlussberichten sowie die Transparenz über die Leistungsfähigkeit der Unternehmen verbessert wird:

  • die Anwendung internationaler Prüfungsstandards
  • die obligatorische Ausschreibung
  • die obligatorische externe Rotation
  • das reine Prüfungsunternehmen (Pure Audit Firms)
  • die Trennung von Prüfung und Beratung
  • Joint Audit (gemeinsame Prüfung von zwei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften)
  • die Verschärfung der Anforderungen im Prüfungsausschuss.

Die 46 Interviewpartner wurden gefragt, welche der genannten Vorschläge die Prüfungsqualität verbessern würden – unabhängig von einem etwaigen Mehraufwand.

Auf einer Skala von eins bis zehn (1: sehr geringer Einfluss; 10: sehr hoher Einfluss auf die Qualität) erhält
die „Anwendung internationaler Prüfungsstandards“ mit 6,0 die höchste Bewertung.

Die „Verschärfung der Anforderung im Prüfungsausschuss“ liegt mit 5,5 knapp dahinter.

Mario Zillmann, Leiter Professional Services bei Lünendonk und Autor der Studie:

„Beide Bewertungen zeigen, dass die Maßnahmen von einer klaren Zustimmung weit entfernt liegen“

Den zentralen Reformvorhaben „Trennung von Prüfung und Beratung“, „Joint Audit“, „Pure Audit Firms“ sowie „obligatorische externe Rotation“ stehen die Studienteilnehmer mehrheitlich kritisch gegenüber.

Die Maßnahmen kommen in der Bewertung nicht über 5,0 hinaus. Die höchste Bewertung entfällt hier mit 4,9 auf der „Trennung von Prüfung und Beratung“.

Während Vorstände und Geschäftsführer bei diesem Punkt ambivalent antworten, lehnen Aufsichtsgremien und vor allem die Leiter Finanzen
und Controlling diesen Vorschlag ab.

„Pure Audit Firms“ (3,9) werden ebenso als nicht zielführend eingestuft wie „Joint Audit“ (3,7).

Die „obligatorische externe Rotation“ liegt mit 4,0 im leicht negativen Skalenbereich.

Aus den Gesprächen geht hervor, dass dieses Ergebnis durch zwei Faktoren beeinflusst wird: zum einen von Studienteilnehmern, bei denen die externe Rotation – also der vorgeschriebene Wechsel der Prüfungsgesellschaft – ohnehin Usus ist, zum anderen von der Frage, nach welchem Zeitraum der Wechsel obligatorisch sein soll.

„Die Bewertung wäre bei Großunternehmen und Konzernen positiver ausgefallen, wenn die Rotation nach 14 oder 20 Jahren obligatorisch sei. Ein kürzerer Zeitraum wird weitestgehend abgelehnt“

erklärt Zillmann.

Verantwortliche von mittelständischen Unternehmen haben unabhängig von der Wechselfrequenz eine klare Meinung: Für sie kommt die obligatorische externe Rotation nicht infrage.

Ging es bei der ersten Fragenkategorie um die reine Qualitätsverbesserung in der Abschlussprüfung, wurden im weiteren Verlauf der Untersuchung auch die Vorteile sowie der zu erwartende Aufwand durch die Regulierungsmaßnahmen untersucht.

In allen sieben Vorschlägen aus dem EU-Grünbuch sehen die Befragten keinen nennenswerten Mehrwert für das eigene Unternehmen.

Ein überdurchschnittlich hoher Mehraufwand wird vor allem bei der „obligatorischen externen Rotation“ sowie „Joint Audit“ erwartet.

Jörg Hossenfelder, Geschäftsführender Gesellschafter von Lünendonk:

„Ein weiteres Studienergebnis: Laut Interviewpartner hat kein einziger EU-Grünbuch-Vorschlag signifikante Auswirkungen auf eine zukünftige Vermeidung von Banken- oder Bilanzskandalen“

„78 Prozent sind der Ansicht, die Krise habe andere Ursachen und Katalysatoren.“

In erster Linie zeichnet die erste Führungsebene der Mandanten für Unternehmenssteuerung, -bilanzierung und Risikomanagement verantwortlich – nicht der Abschlussprüfer.

Auch dies ist ein eindeutiges Ergebnis der Studie.

Hintergrund zum EU-Grünbuch:

Die EU-Kommission für den Binnenmarkt und Dienstleistungen beschäftigt sich als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise mit einer Reformierung des Marktes für Abschlussprüfungen.

Hintergrund ist die Annahme, dass einige Großunternehmen und Konzerne – insbesondere Finanz- und Kreditinstitute – auch durch einen fehlerhaften Prozess der Abschlussprüfung sowie eine mangelhafte Kommunikation zwischen Wirtschaftsprüfern, Geschäftsleitung und Aufsichtsorganen hinsichtlich vorhandener Prozessstörungen und Bilanzfehlern in Schieflage gerieten.

Im Kern zielen die von der EU-Kommission unter dem Begriff „EU-Grünbuch“ 2011 veröffentlichten Vorschläge zur Reformierung des Marktes für Abschlussprüfungen darauf ab, verloren gegangenes Vertrauen in die Märkte sowie in eine ordnungsgemäße Unternehmensführung wiederherzustellen und die Qualität der Abschlussprüfungen deutlich zu verbessern.

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