In-memory-Informationsverarbeitung mit Hana

Hana eröffnet innovative Potenziale. Das zeigen zwei gemeinsame Forschungsprojekte von Hochschule Pforzheim und Pikon. Als Infrastruktur dient eine integrierte Hana-ERP- und BW-Landschaft des HPI.
Prof. Frank Morelli, Hochschule Pforzheim
Jörg Hofmann, Pikon
Stefan Kerl, Pikon
Lukas Stahl, Hochschule Pforzheim
1. September 2015
Inhalt:
2015
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Glaubt man aktuellen Buzz-Words, scheint die Unternehmenswelt zunehmend durch „Disruptive Innovations“ geprägt: Bestehende Produkte oder Dienstleistungen werden mehr oder weniger unerwartet durch neue Technologien und deren Anbieter verdrängt.

Bei näherer Betrachtung erweisen sich hingegen Firmen, die auf kontinuierliche Innovationen setzen, über einen längeren Betrachtungszeitraum vergleichsweise als erfolgreicher.

Mithilfe entsprechender Technologien lassen sich gegebene Spielregeln verändern: Deutsche Unternehmen haben längst den hohen Stellenwert von Geschwindigkeit und Flexibilität erkannt.

In Zeiten von „Just in Time“ und „Losgröße 1“ stellen kurzfristige Änderungen eine Herausforderung für das operative Geschäftsprozessmanagement dar. Das Steuern nicht vorhersehbarer Situationen gerät immer mehr zur Schlüsselkompetenz für die Kundenzufriedenheit.

Für die unterstützenden IT-Systeme bedeutet dies, dass zunehmend Flexibilität gefordert ist. Im strategischen Bereich der operativen Unternehmensplanung greift man häufig auf Erfahrungswerte aus der unternehmens­internen Vergangenheit zurück.

Mit Big Data steht dem eine schier unendliche Zahl an externen Daten gegenüber. Diese miteinander zu verknüpfen und bestehendes „Bauchgefühl“ durch „Predictive Analytics“ zu validieren, erhöht die Qualität der Planung und die Möglichkeit des permanenten Hinzulernens.

Anhand zweier konkreter prototypischer Lösungen für die Praxis wird deutlich, welche innovativen Potienziale zur Verbesserung von Unternehmensentscheidungen und -planung aus Hana erwachsen.

Hana-Szenarien

ERP on Hana: Der Fokus liegt auf der Unterstützung von Eingriffen während der Prozess­ausführung. Zielsetzung ist die Möglichkeit für rasches Interagieren mit unmittelbar zur Verfügung stehenden Daten.

So lässt sich in vielen Branchen wie z. B. in der diskreten Fertigung derzeit ein MRP-Lauf bei einer komplexen Stücklistenstruktur nur über Nacht durchführen.

Entsprechend kann ein Disponent die Frage, ob aufgrund von Änderungen bei Kundenaufträgen Anpassungen im Bestellablauf oder im Produktionsprogramm erforderlich sind, nur unbefriedigend beantworten. Demgegenüber wären echtzeitnahe, KPI-basierte Berichte für ein Monitoring und dynamisches Eingreifen erforderlich.

BW on Hana: Zentrale Aufgabe der operativen Planung ist es, strategische Vorgaben umzusetzen. Dabei handelt es sich um ein System von Teilplänen, typischerweise mit dem Fokus auf kurzfristige Maßnahmen.

So wirkt sich z. B. die Vertriebsplanung auf das bestehende Produktions- und Dienstleistungsprogramm aus. Im SAP-Bereich ist davon auszugehen, dass zugehörige Aktivitäten auch in Zukunft durch BW-Systeme in den Anwendungsunternehmen abgedeckt werden.

Eine Erhöhung der Qualität lässt sich potenziell durch eine umfassende Analyse empirischer und umfangreicher Datenbestände erzielen. Unternehmensexterne Informationen gewinnen in diesem Zusammenhang erheblich an Bedeutung – wie beispielsweise Geo- und Wetterdaten.

Generell lassen sich für die „Predictive Analytics“-Thematik Werkzeuge aus der deskriptiven und induktiven Statistik sowie aus dem Data Mining anwenden. Seitens SAP wird hierzu die PAL („Predictive Analysis Library“) angeboten.

Der von Pikon und der FH Pforzheim für Hana ERP entwickelte Prototyp „Glaskugel-Report“ betrachtet die Integration von Vertrieb und Disposition.

Glaskugel-Report

Wie beim Blick in die Glaskugel geht es um eine Vorhersage. Man schaut sich die in nächster Zeit zur Lieferung anstehenden Kundenauftragseinteilungen samt ihren Beiträgen zum Umsatz an.

Um beurteilen zu können, ob termingerecht ausgeliefert und somit fakturiert werden kann, muss die Bedarfsdeckung des jeweiligen Materials mehrstufig und unter Berücksichtigung aller möglichen Dispositionselemente analysiert werden.

Im besten Fall gibt es bereits einen Bestand für das zu liefernde Material, ansonsten wird für alle relevanten Baugruppen und Rohstoffe untersucht, ob bereits Fertigungsaufträge (oder nur Planaufträge) bzw. Bestellungen (mit/ohne Lieferavis oder Anforderung) vorliegen.

Mit dieser Übersicht kann der Vertrieb schnell erkennen, wo es Engpässe und somit Termingefährdungen gibt, und diese mit der Disposition lösen. Die bestehende SAP-Standardtransaktion „Mehrstufiger Auftragsbericht“ (MD4C) ist lediglich für einzelne Kundenauftragspositionen nutzbar und zeigt auch keine Umsatzwerte.

Der ursprüngliche Glaskugel-Report wurde für ein „herkömmliches“ ERP-System entwickelt und lief so langsam, dass er für eine vollständige Analyse aller Materialien nur als Batchjob über Nacht nutzbar war.

Bei der Hana-Entwicklung zeigte es sich, dass der unveränderte Report keine signifikante Performanceverbesserung aufwies. Dazu wären folgende Schritte erforderlich:

Um die Anzahl der Datenbankzugriffe zu minimieren, müsste die momentane „Tiefensuche“ durch eine „Breitensuche“ ersetzt werden. „Code-Push-down“ durch Verlagerung von Logik vom Applikations- auf den Datenbankserver durch Anlage geeigneter Views und Stored Procedures auf der Hana-Datenbank.

Im Falle des Glaskugel-Reports wäre dies auf eine komplette Neuentwicklung des Programms hinausgelaufen, ein Schicksal, das viele komplexe Eigenentwicklungen teilen dürften.

Eine besondere Schwierigkeit liegt dabei in der Verwendung von SAP-Funktionsbausteinen, die ihrerseits noch nicht Hana-optimiert sind. Hier muss auf Simple Logistics unter S/4 gewartet werden.

An der Schnittstelle zwischen Vertrieb und Disposition gibt es Verbesserungspotenziale. Um sie durch Hana heben zu können, wird in der Regel ein erheblicher Aufwand für die Optimierung oder Neuentwicklung von kundeneigenen Reports erforderlich sein.

Das zweite Beispiel beinhaltet ein Anwendungsszenario für die Absatzplanung und Prognose, bei dem Hana einen Benutzer durch Vorschläge für die Planerstellung aktiv unterstützt.

BW on Hana und PAL

Hier soll der Verkauf von Fahrrädern auf detaillierter Ebene (Material/Kunde) geplant werden. Das System liefert einen Vorschlag, der nicht nur auf historischen Absatzzahlen basiert, sondern auch externe Daten (z. B. historische Wetterdaten, Qualität des Fahrradwegenetzes) berücksichtigt.

Der Vorteil der eingesetzten PAL liegt darin, dass sie statistische Abhängigkeiten automatisch bestimmen kann. Innerhalb einer integrierten Systemlandschaft werden historische Absatzzahlen aus einem SAP-ERP-System sowie externe Wetterdaten und Geoinformationen aus einer Datenbank per ETL-Prozess in ein BW on Hana geladen.

Gemeinsam bilden sie die Datenbasis für den Planungsprozess. Über Planungsfunktionen können Benutzer in den BusinessObjects Analysis for Office Workbooks den Prognoseprozess starten.

Diese Planungsfunktionen sind als kundeneigene Planungsfunktionstypen nach dem Code-Push-down-Prinzip implementiert und werden dadurch auf Datenbankebene ausgeführt.

Innerhalb der Planungsfunktionen können mit Hana nun PAL-Methoden aufgerufen und deren Ergebnisse in Echtzeit in den Planungsprozess integriert werden.

Für die Erstellung der Prognose kommen im Prototyp zwei PAL-Methoden zum Einsatz: Zum einen ein Zeitreihenalgorithmus (exponentielle Glättung) auf Basis historischer Daten der letzten sieben Geschäftsjahre, zum anderen beinhaltet die Lösung eine Absatzprognosefunktionalität auf Basis von Wetterszenarien für kommende Monate mittels einer Regressionsanalyse.

Auch durch die konsequente Hana-Optimierung von Standard-Funktionalitäten durch SAP werden Daten auf dem benötigten Detaillierungslevel in Echtzeit bereitgestellt und lassen sich für weitere Analysen und Planungen direkt verwenden.

Diese können zu Änderungen der Absatzplanung führen (Closed Loop). Der Absatzplaner kann z. B. auf Kunden-, Materialgruppen- und Artikelebene auf Monats- oder Jahreswerte zugreifen.

Als Front­end-Tool fungiert BusinessObjects Analysis for Office mit unterschiedlichen Workbooks für die Prognose, die Mengen- und die Umsatzplanung.

Bei der Umsatzplanung werden zur Laufzeit aktuelle Preisinformationen per Smart-Data-Access aus dem ERP on Hana gelesen, ohne diese innerhalb des BW zu speichern.

Bei der ersten Prototyp­erstellung hat es sich gezeigt, dass bei einer ERP-Umstellung auf Hana eigenentwickelte Abap-Programme nicht automatisch einen Performancegewinn erzielen.

Hierfür sind Anpassungen (z. B. Breitensuche statt Tiefensuche) bzw. eine systematische Vorgehensweise bei der Hana-Einführung erforderlich. In diesem Falle steht einem „Non-Disruptive Success“ bzw. einer „Perpetual Innovation“ nichts mehr im Wege.

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Prof. Frank Morelli, Hochschule Pforzheim

Frank Morelli ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Pforzheim und wissenschaftlicher Partner von Pikon.


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Jörg Hofmann, Pikon

Jörg Hofmann, Gründer und Vorstand von Pikon, beschäftigt sich innerhalb von Hana speziell mit kaufmännischen ERP-Prozessen.


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Stefan Kerl, Pikon

Stefan Kerl ist bei Pikon verantwortlich für das Thema Hana und war Projektleiter für das Forschungsprojekt.


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Lukas Stahl, Hochschule Pforzheim

Lukas Stahl ist Masterstudent an der Hochschule Pforzheim im Studiengang Business Administration and Engineering.


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