HCP as a Service
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Die SAP Hana Cloud Platform (HCP) könnte man als Bindemittel für die technologische Weiterentwicklung der Produkte im SAP-Kerngeschäft bezeichnen.
Mit der HCP soll die Integration der klassischen SAP Business Suite mit neuen SaaS-Produkten (Software as a Service) wie z. B. SuccessFactors oder SAP Hybris Cloud for Customer sichergestellt werden. Daneben soll der renovierten Business Suite (S/4) eine Grundlage für Erweiterungen Richtung Cloud angeboten werden.
Das Wort „Hana“ im Namen stiftet allerdings bei vielen Kunden noch Verwirrung, weil es die In-memory-Datenbank (IMDB) der SAP in den Fokus rückt.
Bei genauerer Betrachtung ist die Hana-DB zwar ein wichtiger Pfeiler der Plattform, aber keineswegs Voraussetzung für deren Nutzung. Die In-memory-Aspekte müssen nicht unbedingt das Ziel beim Einsatz der HCP sein. Umgekehrt lässt sich die Hana-DB auch ohne HCP betreiben.
In der Produktvorstellung spricht SAP bei der HCP von einer „offenen In-memory-PaaS-Lösung (Platform as a Service) für die Entwicklung und den Betrieb von Geschäftsanwendungen“.
Die angebotenen Services reichen von infrastrukturnahen Diensten bis hin zu reinen Business-Anwendungen.
Hier einige exemplarische Beispiele:
- Web IDE: browserbasierte Entwicklungsumgebung inkl. GIT-Repository und Layout Editor;
- SAP Real Spend: Geschäftsanwendung zur Budgetverwaltung für Manager;
- OAuth 2.0 Service: technische Verwaltungsaufgaben für das OAuth Security Framework.
In Summe bietet die Plattform aktuell circa 30 bis 40 Services an, zu denen laufend neue hinzukommen. Die Services sind in unterschiedliche Bereiche gruppiert. Ein Service wie SAP Real Spend ist beispielsweise im Bereich Business Services angesiedelt.
Die Architekturübersicht aus der aktuellen Produktpräsentation der HCP veranschaulicht diese Aufteilung der Dienste, siehe Abbildung.
Anwendungsfälle & Offenheit
Die HCP wird seitens SAP als Entwicklungsplattform für zwei Hauptanwendungsfälle positioniert: Entwicklung neuer, cloudbasierter Anwendungen und Erweiterung existierender On-Premise- sowie Cloud-Anwendungen.
Unabhängig vom jeweiligen Anwendungsfall orientiert sich SAP mit der HCP am Paradigma offener Standards. Der Weg geht in Richtung Cloud Foundry und damit zum Ansatz Bring Your Own Language (BYOL).
Aktuell unterstützt die HCP im Wesentlichen die Sprachen Java und JavaScript – Letztere hauptsächlich im Kontext SAPUI5 – und Hana Native, die auf dem Applikationsserver Hana XS basiert und die Lizenzierung eines HCP-Paketes inklusive Hana-Plattform erfordert.
Neben der Entwicklungsplattform wird die jeweilige Laufzeitumgebung zur Verfügung gestellt. Anwendungen können mandantenfähig (Multitenancy) entwickelt werden. Als Vertriebsplattform kann der SAP Store verwendet werden.
SAP positioniert die HCP als universelle Erweiterungsplattform für On-Premise- und Cloud-Anwendungen. Gleichgültig ob S/4-Hana- oder SaaS-Anwendungen wie Fieldglass, Ariba, SuccessFactors oder Concur zum Einsatz kommen.
Anpassungen des SAP-Standards sollen von der konkreten Anwendung entkoppelt werden. Dies ermöglicht eine weitgehende Release-Unabhängigkeit der Erweiterungen und reduziert ungewollte Korrelationen mit dem SAP-Standard.
Als Middleware kann unterstützend die Hana Cloud Integration oder schlicht der Hana Cloud Connector eingesetzt werden. Hiermit ist beispielsweise eine verschlüsselte Anbindung von On-Premise-Systemen inklusive User-Mapping möglich.
SAP-Entwicklungspartnern eröffnet die HCP als universelle Erweiterungsplattform neue Geschäftsmodelle. Werden bislang Anpassungen zumeist als Kundenprogramm direkt in das Backend integriert, lässt sich die Entwicklung der Anpassungen nun entkoppeln, zentralisieren und allgemein vermarkten.
Durch die mittlerweile einheitliche UX-Strategie im SAP-Universum (SAPUI5/Fiori) können Erweiterungen auch unter Usability-Gesichtspunkten nahtlos integriert werden.
Wie oben beschrieben dient die HCP als eine Art Bindemittel, das die klassische SAP-Welt mit neuen Produkten verbindet. So positioniert SAP den ERP-Nachfolger S/4 Hana weiter als das große Mutterschiff, um welches sich diverse fachliche Lösungen ansiedeln.
Die HCP soll als universelle Erweiterungsplattform strategisch alte Erweiterungskonzepte ablösen. Damit wird eine weitgehende Unabhängigkeit der Entwicklungszyklen von SAP-Erweiterungen, eine architektonische Entkopplung von der zu erweiternden Lösung ermöglicht.
SAP-Partnerfirmen, die sich bislang mit eben solchen Erweiterungen beschäftigt haben, eröffnen sich hierdurch ganz neue Geschäftsfelder. Erweiterungen können weniger kundenspezifisch entwickelt werden.
Auch der Vertrieb entsprechender Lösungen wird über den SAP Store auf ein neues Fundament gestellt. Und über Integrationskanäle wie die Hana Cloud Integration wird der Graben zwischen Cloud und On-Premise gefüllt.
Insbesondere im Mittelstand versucht SAP das Geschäft auszubauen. Neukunden werden oftmals über neue Cloud-Produkte wie SuccessFactors gewonnen. Insbesondere bei Cloud-Produkten stellt sich die Frage, wie Kunden Erweiterungswünsche umsetzen können.
Und gerade hier ist die Antwort von SAP: HCP. Die Philosophie von SAP geht von APIs (beispielsweise OData-APIs) der einzelnen SAP-Standardlösungen aus, an welche sich Erweiterungen, die auf der HCP gehostet werden, andocken können.
Eine Positionierung der HCP als PaaS für Non-SAP-Kunden unabhängig von anderen SAP-Lösungen ist derzeit eher nicht zu sehen. Als Ausnahme kann der Einsatz als Plattform neuer Lösungen von ISVs (Independend Software Vendor) analysiert werden.
ISV & Innovation
Unabhängigen Softwareherstellern (ISVs) und speziell SAP-Partnern bietet die HCP eine Plattform, auf welcher neue Softwarelösungen entwickelt werden können. Damit versucht sich SAP einmal mehr als möglicher Konkurrent im Markt der technischen Plattformanbieter.
Insbesondere Vorteile der optional verfügbaren In-memory-Technologie und Integrationsaspekte mit anderen SAP-Systemen können ISVs zur Verwendung der HCP motivieren.
Als Hindernis stellt SAP einmal mehr ihre Lizenzpolitik in den Weg. Die Lizenzierung der HCP ist ein vielschichtiges Thema. Am einfachsten erscheint derzeit die Vermarktung über das sogenannte Embedded-Paas-Modell (ePaaS).
Hierbei handelt es sich um ein OEM-Modell, welches SAP-Partnern den Vertrieb ihrer HCP-Lösung als Gesamtpaket ermöglicht. Voraussetzung hierfür ist die Mitgliedschaft im SAP PartnerEdge Program for Application Development inklusive des Innovation Pack for Hana Cloud Platform.
SAP verlangt für das ePaaS 25 Prozent der Abonnementseinnahmen und eine Mindestgebühr. Möchte man insbesondere Vorteile der Hana-Services nutzen (Hana XS, GeoSpatial Services etc.), beträgt der monatliche Grundpreis mindestens 990 Euro.
Für den Einsatz der HCP im Unternehmenskontext gibt es eine Reihe von sinnvollen Szenarien. Besonders hervorzuheben sind in erster Linie die Anwendungsfälle, die es Bestandskunden von SAP-On-Premise-Systemen ermöglichen, Teilprozesse aus dem On-Premise-Kontext herauszulösen und als eigenständige App in der Cloud bereitzustellen.
Auf diese Weise ist es möglich, neue innovative Konzepte und Funktionalitäten für Business User schneller, in kürzeren Entwicklungszyklen und mit agilen Vorgehensmodellen zu etablieren.
In der Auftragsbearbeitung eines Fertigungsunternehmens können die Mitarbeiter des Unternehmens den aktuellen Status eines Auftrags über das ERP- oder CRM-System einsehen. Der Endkunde, der den Auftrag erteilt hat, hat diese Möglichkeit nicht. Üblicherweise ist ein Anruf oder das Schreiben einer E-Mail notwendig, wenn man sich über den aktuellen Status eines Auftrags informieren möchte.
Mit einer dedizierten App, ob für mobile Endgeräte oder nur Desktops, für die HCP entwickelt und integriert in das On-Premise-System, kann man Endkunden diese Informationen im Self-Service einfach und schnell bereitstellen.
Um Anwendungen dieser Art zu entwickeln, ist zunächst eine sichere Verbindung zwischen Cloud und On-Premise notwendig. Für ERP- und CRM-Systeme bietet der Hana Cloud Connector diese Funktionalität, der nach der Installation im Backend einen sicheren SSL-VPN-Tunnel zur HCP-Infrastruktur aufbaut.
In der HCP werden für alle Verbindungen zu Drittsystemen, die über den Hana Cloud Connector angebunden sind, anschließend entsprechende Konfigurationseinstellungen in den dafür vorgesehenen Connectivity Services vorgenommen.
Unter anderem wird festgelegt, welche Services im Backend-System vom Cloud Connector angesprochen werden dürfen oder – mit anderen Worten – auf der Whitelist für die Integration stehen.
ERP- oder CRM-Backend-Systeme, die über die Connectivity Services angebunden sind, können in Java-Applikationen auf der HCP mittels JCo über RFC/BAPI-Funktionsaufrufe direkt angesprochen werden.
Darüber hinaus ist es möglich, über SAP-Gateway-OData Endpunkte für Objekte im Backend-System bereitzustellen, die via REST von Java-, Hana XS- und HTML5-Applikationen direkt konsumiert werden können. Diese Methode wird häufig bevorzugt, da sie mehr Flexibilität in der Lösungsarchitektur der Cloud-Anwendung bietet.
Marktbegleiter
Wenn man sich auf dem Markt der Plattformanbieter für Softwareentwicklung umschaut, trifft man unweigerlich auf die drei großen Angebote: Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure und Google Cloud Platform.
Warum sollte man sich also noch zusätzlich mit Hana Cloud Platform und SAP als Anbieter beschäftigen?
Ein umfassender Vergleich der verschiedenen Angebote würde den Umfang dieses Artikels sprengen, dennoch möchten wir die aus unserer Sicht wesentlichen Eigenschaften der genannten Angebote hervorheben.
Amazon, als Pionier der cloudbasierten Services, bietet inzwischen eine sehr große Anzahl verschiedener Services an und bringt praktisch jedes Jahr neue Services auf den Markt. Mit AWS-Lambda ist es beispielsweise möglich, eigenen Programmcode in einer Funktion ereignisbasiert in der Cloud auszuführen, um mit dem Ergebnis anschließend lokal oder mit anderen cloudbasierten Services weiterzuarbeiten.
Darüber hinaus bietet AWS von einfachem Speicherplatz, einer DNS-Verwaltung und Identity Management bis hin zu Frameworks für Hadoop und IoT Services das komplette Portfolio für ISVs, die cloudbasierte Services eines Plattformanbieters nutzen möchten.
Microsoft hat in den vergangenen Jahren ebenfalls massiv in den Ausbau seiner Cloud-Platform-Angebote investiert und inzwischen ein attraktives Angebot zusammengestellt. Der Schwerpunkt bei Azure liegt bei Microsoft-Technologie, wie SQL Server, Azure Search, Azure DocumentDB, Azure Batch in Kombination mit einem nutzungsbasierten Abrechnungsmodell.
Google Cloud Platform bietet ebenfalls eine Reihe sehr populärer Cloud-Services, allen voran App Engine und Cloud Storage. App Engine unterstützt neben Java auch Anwendungen in Python, PHP und Go.
Eine Besonderheit von App Engine ist das automatische Skalieren der Anwendungen auf Basis des Nutzungsgrads, ohne dass weitere technische Infrastruktur-Komponenten wie beispielsweise Load-Balancer hinzugefügt werden müssen. Alle drei der genannten Anbieter bieten für jeden Service im Portfolio ein nutzungsbasiertes Abrechnungsmodell an.
Im Gegensatz zu AWS und Microsoft Azure ist bei der SAP HCP nicht immer ein klares Zielgruppen-Profil der Plattform zu erkennen. Bei der Unterschiedlichkeit der Services und der großen Vielfalt ist es nicht leicht, ein konkretes Einsatzszenario zu identifizieren. Die Vorteile gegenüber den Marktbegleitern sind nicht auf Anhieb erkennbar.
Darüber hinaus besitzen die aktuell verfügbaren Services sehr unterschiedliche Reifegrade. Es gibt Services, die noch als „Beta“ klassifiziert sind, sowie Services mit sehr einfachem Funktionsumfang bis hin zu einer mittlerweile gereiften Web-Entwicklungsumgebung wie der Web IDE. Ohne öffentlich verfügbare Roadmap ergeben sich damit Unsicherheiten, was die strategische IT-Planung in Unternehmen betrifft.
Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Anbietern sind die noch fehlenden Tools zur nutzungsbasierten Abrechnung der genutzten Services, um beispielsweise auch Prototypen und POCs mit vergleichbarem finanziellen Risiko auf der HCP entwickeln zu können. Dies gilt auch für ISVs, die ihre Produkte auf der HCP betreiben und ihren Kunden anbieten und nutzungsbasiert abrechnen wollen. Werkzeuge zur Ressourcenabrechnung und Verteilungsmechanismen über Accounts hinweg fehlen noch vollständig.
Bei Marktbegleitern wie Microsoft Azure ist durch den Einsatz von Konfigurationswerkzeugen und Preisrechnern relativ leicht nachvollziehbar, was eine Lösung an Kosten verursacht.
Fazit & Lizenzen
Die HCP unterliegt noch starken Anpassungen, was das Lizenzmodell angeht, und es existiert eine Fülle von diversen Paketen, Einzelservices und verschiedenen Abhängigkeiten je Kunde und Einsatzszenario. Das erschwert es Kunden, ihren Business Case zu beurteilen, und die HCP bewegt sich auch preislich in einer undurchsichtigen „Kosten-Cloud“, die leicht von 1000 bis 50.000 Euro im Monat reichen kann.
Sowohl technisch wie auch fachlich soll sich die HCP nach den Plänen von SAP in Zukunft weiterentwickeln. Technisch soll durch den Übergang zu Cloud Foundry eine Basis geschaffen werden, um die HCP leichter für zusätzliche Laufzeitumgebungen, Datenbanken und Dienste erweitern zu können. Auch ein Betrieb der HCP in Nicht-SAP-Rechenzentren steht auf der Agenda.
Die fachliche Erweiterung besteht im Angebot von Micro-Services, wie sie SAP mit dem Zukauf von Hybris/YaaS zur Verfügung stehen. Im Bereich Business Services der HCP kommen damit immer mehr Dienste hinzu.
Es bleibt abzuwarten, wie SAP die Abgrenzung zwischen diesen neuen Services, SaaS-Produkten und der klassischen Business Suite gelingt. Mit der HCP bietet SAP eine PaaS-Plattform, die auch für Nicht-SAP-Kunden interessant sein kann.