Gehälter im Realitäts-Check
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Zu Beginn ihrer Karriere sind die Gehaltserwartungen von MINT-Talenten vergleichsweise weit von denen der Unternehmen entfernt. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG) und Get In, die Talent Marketplaces im MINT-Sektor betreibt.
Befragt wurden parallel 255 Unternehmen sowie 2200 Fachkräfte aus der IT und dem Ingenieurwesen. Im Mittelpunkt standen die gegenseitigen Gehaltsvorstellungen von Bewerbern und Arbeitgebern.
Niedrigerer Abschluss, größeres Konfliktpotenzial
Die Befragung deckt einen interessanten Widerspruch in den Gehaltswünschen der Berufsanfänger auf: Young Professionals aus der IT und dem Ingenieurwesen überschätzen die zu erwartenden Gehaltsspannen vor allem dann, wenn sie nach einer Berufsausbildung auf den Arbeitsmarkt treten.

Auch die Gruppe der Informatik-Berufsstarter mit Bachelor-Abschluss hat Gehaltserwartungen, die weit über das hinausgehen, was die Unternehmen ihnen zu bieten bereit sind. Informatik-Absolventen mit einem Master-Abschluss hingegen kommen mit den Vorstellungen der Unternehmen besonders häufig auf denselben Nenner. Masteranden aus dem Ingenieurwesen tendieren sogar dazu, die Zahlungsbereitschaft der Unternehmen zu unterschätzen.
Eine besonders starke Diskrepanz zeigen die erhobenen Daten zwischen den Gehaltsvorstellungen von Arbeitgebern im Vergleich zu Professionals mit einer -Berufsausbildung und mindestens drei Jahren Berufserfahrung. Dies gilt sowohl für die Gruppe der IT- als auch der Inge-nieur-Professionals.
So machen mehr als 60 Prozent der befragten Unternehmen den IT-Professionals ein Gehaltsangebot, das unter 50.000 Euro pro Jahr liegt. Diese Arbeitgeber müssen damit rechnen, dass rund 55 Prozent der potenziellen Kandidaten abwinken werden. Etwa ein Viertel der befragten IT-Professionals wünscht sich ein Jahresgehalt zwischen 50.000 und 59.000 Euro. Ganze 30 Prozent liegen mit ihrer Wunschvorstellung deutlich über 60.000 Euro.
Unternehmen, die Ingenieur-Professio-nals unter gleichen Vorzeichen einstellen möchten – berufserfahren und mit einem Ausbildungsabschluss –, müssen sich ebenfalls auf Gehaltserwartungen einstellen, die kaum Spielraum für Kompromisse lassen: 66 Prozent der Befragten wünschen sich ein Jahresgehalt oberhalb von 50.000 Euro.
Diesem Wunsch entspricht jedoch nur ein Drittel der Unternehmen. Bei Ingenieur-Professionals mit einem Master-Abschluss zeichnet sich dagegen ein umgekehrtes Bild: Hier liegt die Gehaltserwartung mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar unterhalb der Zahlungsbereitschaft der Unternehmen.
Wettbewerb verschärft sich
Im Jahr 2020 waren deutschlandweit 86.000 Stellen für IT-Expertinnen und -Experten unbesetzt. Das ist der zweithöchste jemals gemessene Wert, den der Bitkom in einer repräsentativen Umfrage ermittelt hat.
Auf dem Ingenieur-Arbeitsmarkt ist die Nachfrage nach bau- und IT-nahen Qualifikationen laut Ingenieurmonitor 2020/IV recht stabil geblieben, während es in industrienahen Fachbereichen einen stärkeren Rückgang an Stellenangeboten gab.
„Verstärkt durch die Coronapandemie werden die Digitalisierungswelle sowie der demografische Wandel den Wettbewerb um qualifizierte MINT-Fachkräfte insgesamt weiter zuspitzen“, ist sich Rainer Weckbach, Geschäftsführer von Get In, sicher. Vor diesem Hintergrund will die gemeinsame Studie von DSAG-Academy und Get In zu mehr Transparenz auf dem MINT-Arbeitsmarkt beitragen.
Personalverantwortliche profitieren nicht nur davon, dass sie die Anforderungen der IT- und Ingenieur-Talente besser verstehen. Sie bekommen gleichzeitig ein Gefühl dafür, wie sich der Markt entwickelt und welche Hebel der Wettbewerb einsetzt, um Nachwuchs für sich zu gewinnen.
Herrmann-Josef Haag, DSAG-Fachvorstand Personalwesen und Public Sector -sowie fachlicher Sprecher der DSAG-Academy, sagt zu den Ergebnissen: „Es ist erschreckend, wie weit in einigen Bereichen die Erwartungshaltungen auseinanderliegen. Das heißt aber nicht, dass Arbeitgeber den zum Teil völlig überzogenen Gehaltsvorstellungen jederzeit nachkommen müssen.
Viele können dies auch gar nicht. Wichtig ist aber, gerade Berufsanfängern – die sich fast ausschließlich am Gehalt orientieren – diesbezüglich Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen. So steht man auch in Verhandlungen besser da. Wer schon Berufserfahrung hat, für den spielt wiederum das Umfeld eine wichtige Rolle: flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und gute fachliche Entwicklungsmöglichkeiten.“