Cross-Channel im Tierfutterhandel


Im Handel für Tierbedarf lohnt es sich, das eigene E-Commerce-Angebot weiter auszubauen. Das belegen Umsatzzahlen: Eine Studie des E-Commerce-Verbands BEVH geht davon aus, dass 2015 rund 47 Milliarden Euro für Online-Warenbestellungen ausgegeben werden.
2014 wurden mit Online-Bestellungen für Tierfutter und -zubehör rund 730 Millionen Euro umgesetzt. Alles bequem von zu Hause aus zu bestellen, ist daher keine Zukunftsvision mehr, sondern erforderlich, um seine Marktposition zu behalten und weiter auszubauen.
Um von den Entwicklungen im Markt und im E-Commerce-Bereich profitieren zu können, musste für Fressnapf eine neue strategische Gesamtausrichtung her.
„Entscheidend für den Umstieg auf eine völlig neue Prozess- und IT-Landschaft war, dass das Unternehmen zu einem großen mittelständischen Player geworden ist“
so Roland Vorderwülbecke, Ressortleiter Information Technology bei Fressnapf.
Zudem sollte dem Kunden ein umfassendes Omnichannel-Angebot zur Verfügung gestellt werden. Dabei hat eine Untersuchung ergeben, dass 65 Prozent der Händler Probleme bei der optimalen Umsetzung von Omnichannel-Systemen haben.
Gründe dafür sind unzureichende technologische Voraussetzungen, grundlegende Veränderungen der IT-Landschaft und eine zu komplexe Unternehmensinfrastruktur. Die Projektanforderungen waren also hoch.
Kopfmonopole und fehlende Skalierbarkeit
Das Unternehmen konnte zwar im operativen Geschäft weiterhin mit den alten Lösungen arbeiten, die Abläufe waren jedoch langsam und zeitaufwändig. Dazu kam, dass nur wenige Mitarbeiter über das nötige Know-how zur bisherigen System- und Prozesslandschaft verfügten.
„Es gab zu viele ‚Kopfmonopole‘, also Mitarbeiter, die als Einzige wussten, wie die Systemlandschaft im Detail funktionierte“
erklärt Vorderwülbecke.
Eine solche Situation ohne standardisierte Abläufe gefährdet den durchgehenden IT-Betrieb und damit auch die Handlungsfähigkeit von Fressnapf, falls beispielsweise einer dieser Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausscheidet.
„Bei einem Jahresumsatz von 1,4 Milliarden Euro sind standardisierte Prozesse eine notwendige Voraussetzung“
so Vorderwülbecke.
Ein weiteres Problem bestand darin, dass die Skalierbarkeit nicht mehr gegeben war. Das erschwerte das Unternehmenswachstum, vor allem auf internationaler Ebene.
Umsetzungsgeschwindigkeit
„Das Thema Geschwindigkeit bei der Projektumsetzung war uns sehr wichtig. Wir benötigten schnell eine Lösung, um auch das Thema E-Commerce und die Implementierung von End-to-End-Omnichannel-Prozessen rasch angehen zu können“
erklärt Vorderwülbecke.
Fressnapf entschied sich für KPS Consulting als Projektpartner. Mit der Rapid-Transformation-Methode werden Mitarbeiter und Abteilungen sehr früh in das Projekt und die Prozessentwicklung eingebunden und viele Aktivitäten parallel geschaltet, was zu schnellen Ergebnissen führt.
„Wir hatten hier ein sehr großes Team: Bis zu 90 Berater haben in Spitzenzeiten parallel vor Ort gearbeitet, um das Projekt in der erforderlichen Geschwindigkeit umzusetzen“
erinnert sich Vorderwülbecke.
So wurde aus einer inhomogenen und komplexen Infrastruktur ein System, das auf standardisierten Prozessen aufbaut.
Im Rahmen des Projekts wurde auch eine Business-Intelligence-Lösung auf Hana-Basis eingeführt.
„Das hat den Vorteil, dass eine Echtzeit-Abbildung von sämtlichen Prozessen möglich ist. Dadurch lässt sich leichter auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen und besser vorausplanen“
so Jochen Jahraus, Managing Partner bei KPS Consulting.
Zusätzlich wurde die neue Kassenlösung SAP Store Management by GK in den rund 800 deutschen Märkten implementiert.
„Wir sind mittlerweile Referenzkunde für Anwendungen von GK“
sagt Vorderwülbecke.
Das neue Kassensystem wurde im Frühjahr 2013 als Pilot in einem Markt und dann sukzessive in weiteren Märkten in Deutschland implementiert.
Methodik
Zunächst wurde 2011 mit der Umstellung auf SAP for Retail eine solide IT-Infrastruktur geschaffen. Dabei verwendeten die KPS-Berater ein Verfahren, das speziell für die schnelle und gleichzeitig qualitativ hochwertige Umsetzung von Transformationsprojekten entwickelt wurde.
„Die Rapid-Transformation-Methode hat den Vorteil, dass sie sehr schnell zu Ergebnissen führt“
stellt Vorderwülbecke fest.
Bei Großprojekten werden üblicherweise definierte Projektphasen Schritt für Schritt und papierbasiert durchlaufen (Wasserfallmodell). Erst dann beginnt die eigentliche Implementierung.
Auf Basis der prototypenbasierten KPS-Methodik konnten die Fressnapf-Mitarbeiter bereits zu einem sehr frühen Projektzeitpunkt in die Prozessentwicklung und die Abwicklung im SAP-System miteinbezogen werden.
Dadurch erhöhte sich die Akzeptanz in der Belegschaft enorm und gleichzeitig wurde das Projektrisiko einer nicht den Anforderungen entsprechenden Implementierung minimiert.
Mitte 2012 wurde das Warenwirtschaftssystem in Betrieb genommen und dann sukzessive das Gesamtsortiment mit über 11.000 Artikeln eingebunden. Eine Herausforderung war der internationale Rollout, da jedes Land zuvor eigene Lösungen im Einsatz hatte: Innerhalb eines Jahres wurde SAP in zehn Ländern und Geschäftsbereichen implementiert.
Anschließend erfolgte die Umstellung des Webshops auf die neue Hybris-Lösung. Anfang Oktober 2014 ging der erste neue Webshop in Luxemburg live, Ende November folgte der deutsche Markt mit seinem neuen E-Commerce-Auftritt.
Vernetzung via Omnichannel-Ansatz
Als weiteres großes Ziel sah Fressnapf den Aufbau des Omnichannel-Handels an. Innerhalb eines Jahres konnte auf Basis des neuen SAP-Systems das vorhandene Frontend optimiert werden.
Hierbei vertraute das Unternehmen auf die KPS-Tochter Getit als erfahrenem Implementierungspartner für Shop-Systeme: Dazu zählt unter anderem die E-Commerce-Lösung Hybris, die sich nahtlos in SAP for Retail einbinden lässt.
Als sehr viel komplexere Aufgabe stellte sich die Anbindung der dazugehörigen Backend-Prozesse heraus, bei der die Transformationsexperten von KPS auch das SAP-Finanz- und -Rechnungswesen sowie das Customer Relationship Management neu einführten.
Auch die Integration des Fulfillment-Dienstleisters in das SAP-System erfolgte in diesem Teil des Projekts und wurde innerhalb eines Jahres abgeschlossen.
Durch die enge Zusammenarbeit von Frontend- und Backend-Spezialisten profitiert Fressnapf nun von einer durchgehenden und integrierten Omnichannel-Plattform.
„Wir arbeiten noch daran, die Einkaufsmöglichkeiten auf unterschiedlichen Vertriebskanälen für Kunden noch weiter auszubauen“
so Jahraus.
Dabei sollen künftig auch neue Features wie etwa Click & Ship angeboten werden (dem Kunden werden online bestellte Waren direkt aus der ihm am nächsten gelegenen Filiale geliefert).
Vorderwülbecke:
„Wir wollen für den Kunden eine echte Marke werden und das können wir nur leisten, wenn wir handwerklich gut sind und die Bedürfnisse unserer Kunden kennen – und das kanalübergreifend.“
Mehr Transparenz mit neuem SAP-System
Mit den neuen Lösungen hat Fressnapf seine IT-Landschaft zukunftsorientiert aufgestellt und kann dadurch schneller sowie flexibler auf Marktveränderungen reagieren.
„Ein Projekt mit so einem Umfang in dieser Geschwindigkeit erfolgreich abzuschließen, das ist schon einzigartig“
resümiert Vorderwülbecke.
„Wir haben mehr Transparenz und können Kunden gezielter ansprechen.“
Außerdem will Fressnapf über die neue Website verstärkt Kampagnenmanagement und Kundenreaktivierung betreiben.
Ist der Omnichannel-Ansatz vollständig umgesetzt, sieht Vorderwülbecke viele Vorteile für den Verbraucher. So soll der Kunde aus vielen neuen Zahlungsmöglichkeiten auswählen können, Retouren künftig einfacher abwickeln und die Verfügbarkeit in Echtzeit prüfen können.
Fressnapf möchte sich zudem stärker im Bereich Kundenbindung einsetzen und beispielsweise eine Payback-Option integrieren.